Hurra, der ARV ist 50 — das Jubiläumsjahr beginnt!

Heute vor genau 50 Jahren, am 20. Januar 1973, hob ich zusammen mit rund 40 weiteren Interessenten unter Federführung von Redakteur Henning Kriebel in Unterhaching bei München den ARV als „Allgemeiner Rettungsverein“ aus der Taufe. Keines der versammelten 40 Gründungsmitglieder hatte damals wohl erwartet, dass der Verein so lange durchhalten würde.

Mehr dazu im ARVnewsBlog!


Mein Beitrag für die Ausgabe Dezember 2022 der Zeitschrift „ARVaktuell“:

Wie alles vor 50 Jahren begann …

Ein Protagonist blickt aus oberpfälzer Perspektive zurück auf ein halbes Jahrhundert ARV in der Oberpfalz und 50 Jahre im Ehrenamt

Von Werner H. Hayn

Es war einmal ein 25-jähriger unternehmungslustiger Lehrer, der war, wie andere auch, als Single nach dem Studium von Regensburg in die nördliche Oberpfalz aufs Land versetzt worden. In der Stadt Windischeschenbach, unweit von seinem ersten Dienstort Premenreuth, ließ er sich nieder. Noch fehlten ihm neue Freunde in der Fremde. Deshalb suchte er neben dem Lehrerdasein nach einer weiteren sinnvollen Aufgabe, nach einem ernsthaften Hobby mit sozialem Touch. Man errät es: Dieser technisch interessierte Regensburger war ich vor rund 50 Jahren.

Da ergab es sich, dass ich in einer Fachzeitschrift den Beitrag eines Münchener Redakteurs namens Henning Kriebel las, der die Idee eines „Funkrettungsdienstes“ beschrieb. Demnach sollten möglichst viele Autofahrer auf eigene Kosten ein Sprechfunkgerät im Fahrzeug installieren, um bei Verkehrsunfällen und anderen Notfällen über zu errichtende Funkzentralen rasch qualifizierte Hilfe anfordern zu können. Die Presse nannte diese Funkwagen später „Fahrende Notrufsäulen“.

Das interessierte mich natürlich brennend. Hier konnte nach meinem Verständnis spannende Technik mit einem sozialen Gedanken verknüpft und in den Dienst beschleunigter Hilfeleistung gestellt werden. Also telefonierte ich mit dem Verfasser des Funkschau-Artikels, Henning Kriebel. Der lud mich alsbald zur Gründungsversammlung des „Allgemeinen Rettungsvereins“ (ARV) in eine Unterhachinger Gaststätte ein, wo sich am 20. Januar 1973 46 Gleichgesinnte aus der gesamten Bundesrepublik zusammenfanden. 

Zwei Windischeschenbacher begleiteten mich zum Gründungstermin: die Gründungsmitglieder Claus Pongratz und Karl-Heinz Flasch. Drei Oberpfälzer wirkten also mit, als der ARV vor 50 Jahren aus der Taufe gehoben wurde.

Einer der Versammlungsteilnehmer fiel uns in Unterhaching besonders auf, weil er ob seiner Körperfülle auf zwei Stühlen gleichzeitig Platz genommen hatte. Es handelte sich um den damals prominenten Schauspieler, Arrangeur und Conférencier Jean Thomé. Er war wesentlich für einen bald hohen Bekanntheitsgrad des ARV, denn er warb bei Auftritten in zu dieser Zeit populären TV-Shows wie „Der Goldene Schuss“ oder „Der Blaue Bock“ für die Idee des ARV, woraufhin die Mitgliederzahlen spürbar in die Höhe schossen. 

Zurück in der Oberpfalz, begann auch ich mit der Mitgliederwerbung vor allem um meine beiden Wohnorte Regensburg und Windischeschenbach herum. 1978 initiierte ich die Eintragung des Bezirksverbandes ins Vereinsregister als selbständige juristische Person im ARV Deutschland. Zur ersten Vorstandschaft des „Allgemeinen Rettungsverbandes Oberpfalz e. V.“ wurden gewählt: Werner H. Hayn, Werner Sommer, Dieter Noack, Paul Klar und Johann Fischer.

Wegen der großen Störanfälligkeit des AM-Kurzwellensystems bemühte sich der ARV von Anfang an um die Zuteilung störungsfreier UHF-Funkfrequenzen, die nach etwa zwei Jahren als Notfallfunkkanäle vom BPM eingerichtet wurden. Dennoch war mir bald klar, dass angesichts der bereits absehbaren Etablierung von Mobilfunk (Funktelefonen) die Daseinsberechtigung der doch recht kostspieligen und nur im Notfall privat nutzbaren Fahrenden Notrufsäulen immer mehr schwinden würde. Es galt, den ARV als lückenschließende Hilfsorganisation weiterzuentwickeln und mit sozialen Aufgaben zukunftsfähig zu machen.

Zusammen mit der Rettungswache in Weiden und dem Städtischen Brandschutzamt Regensburg rief ich deshalb in beiden Städten die ersten ARV-Medikamenten-Notdienste bundesweit ins Leben, einen kostenlosen Dienst, der ausschließlich von Ehrenamtlichen abgewickelt wurde. Patienten, die keine Möglichkeit hatten, sich während der Notdienstzeiten der Apotheken ein dringend benötigtes Medikament selbst zu besorgen, konnten den MND in Anspruch nehmen. Die jeweilige Einsatzzentrale (Berufsfeuerwehr oder BRK) nahm die Anrufe entgegen und gab die Einsatzaufträge per Funk und Telefon weiter an die ARV-Helfer. 

Der ARV-MND war somit der erste Schritt hin zu planmäßigen sozialen Diensten. Bestehende Lücken zu schließen, blieb unsere Intention. Es folgten im Laufe der Jahre u. a. nachstehende Dienste zusätzlich zu ARV-Notfallmeldewesen und Medikamenten-NotDienst. 

  • Gruppenarbeit mit Multiple-Sklerose-Patienten und Senioren
  • Fahrdienste für Kranke und Menschen mit Behinderung
  • Veranstaltungsabsicherungen
  • Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen
  • Häusliche Alten- und Krankenpflege
  • Hauswirtschaftliche Versorgung
  • Familienhilfe
  • Mobiler sozialer Hilfsdienst
  • Mahlzeitendienst „Essen auf Rädern“
  • Jugendgruppen
  • ARV-Nikolausdienst
  • Projekt „Kino von und für Menschen mit Behinderung“
  • Offene Behindertenarbeit
  • Tagespflegeeinrichtung „Waldnaabtal“ (ab 2022)

Mit der wachsenden Verbreitung der Funktelefone wurde der ARV-Notfallfunk immer entbehrlicher. Wir konzentrierten uns auf den Ausbau und die Erweiterung der sozialen Dienstleistungen, um dem ARV die Daseinsberechtigung zu erhalten. Auch die kommunikative Steuerung des Dienstbetriebes verlagerte sich im Laufe der Jahre immer mehr vom Betriebsfunk hin zu Mobilfunk-Handys.

In allen Kreisverbänden wurden Dienststellen geschaffen, in Weiden mit finanzieller Unterstützung der Stadt sogar ein Gebäude von der Bayerischen Versicherungskammer erworben, das fortan nicht nur die Dienste des KV, sondern auch die gesamte Bezirksverbandsverwaltung beherbergen konnte. Die zentrale Verwaltung und einheitliche Steuerung hatte sich bewährt und funktioniert bis heute sehr gut. Der ARV Oberpfalz wurde auch Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, welcher als Dachverband die Entwicklung der Verbandsarbeit stets mit Rat und Tat unterstützte.

Aktuelle ARV-Dienstorte in der Oberpfalz sind Regensburg, Schwandorf, Weiden, Windischeschenbach, Erbendorf und Tirschenreuth. In jedem Kreisverband entstand zudem ein Fuhrpark gemäß dem jeweiligen Bedarf an Einsatzfahrzeugen.

Hauptamtliches Personal war bald unentbehrlich, um die Dienste bedarfsgerecht anbieten zu können. Ehrenamtlich arbeiten weiterhin der Vorstand und die Helferschaft in der Offenen Behindertenarbeit.

Woran erinnere ich mich noch?

Z. B. an Werbe- und gesellschaftliche Veranstaltungen, an den ARV-Reisedienst, an Altpapier- und Altkleidersammlungen zur Finanzbeschaffung, goße Festveranstaltungen wie zuletzt vor 10 Jahren die Jubiläumsgala Fantastic Forty in der Weidener Max-Reger-Halle, an einen im Rahmen des Projekts KfB gedrehten Sketch mit Phil Collins.

Mit 50 Jahren ARV-Historie könnte man ein dickes Buch füllen. Meine Erinnerungssplitter können nur ganz grob den Werdegang eines Beispielvereins skizzieren. Vieles muss unerwähnt bleiben. In anderen ARV-Organisationen vollzog sich die Verbandsentwicklung manchmal ähnlich, aber möglicherweise auch ganz anders.

Ich bin jedenfalls nicht nur stolz auf das während meiner Amtszeit als Vorsitzender des ARV Oberpfalz Erreichte, sondern auch auf das, was danach meine Nachfolger initiiert haben: u. a. ein zweites eigenes ARV-Gebäude, nämlich die ARV-Tagespflege Waldnaabtal in Windischeschenbach. Die Einrichtung wurde erst 2022 eingeweiht und in Betrieb genommen (s. Bericht in dieser Ausgabe der ARVaktuell!).

Ich freue mich auch, dass im Laufe der Jahre manche ARV-Organisation die eine oder andere Idee oder Aktivität vom ARV Oberpfalz erfolgreich übernahm.

Danken möchte ich allen ehren- und hauptamtlichen Mitstreitern und Unterstützern, die geholfen haben, den Verband zu dem zu machen, was er heute darstellt: eine vielerorts regional etablierte Hilfsorganisation der Freien Wohlfahrtspflege.

Als ich in den 1970er Jahren dann und wann vorsichtig meine diesbezüglichen Zielvorstellungen im Mitgliederkreis äußerte, hieß es: „Lass‘ uns mit deinen Phantastereien vom «Ledersesselclub» zufrieden!“

Am 20. Januar 2023 ist es also nun soweit. Es tritt etwas ein, das ich bei Gründung nicht erwartet hätte: Der ARV hat durchgehalten und wird 50 und damit auch mein persönliches ehrenamtliches Engagement, aktuell als Vizepräsident im ARV-Bundesverband. Schön, dass ich auf dieses Lebenswerk zurückblicken darf. Dabei denke ich an zahlreiche verdienstvolle Mitglieder, die leider schon von uns gegangen sind.

Möge der ARV länger leben als wir selbst. Die ARV-Familie befindet sich auf einem guten Weg.

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